„Alde Waafn“- Sprechen wir über das Fichtelgebirge – und seine Dörfer

Am zweiten Augustwochenende lud der Arbeitskreis Innovation und Umwelt ins idyllische Fichtelgebirge nach Weißenstadt ein, um über die Dörfer der Zukunft zu reden, sie zu erleben und lieben zu lernen. Der Veranstaltungsauftakt am Freitagabend war, der besseren Anbindung wegen, in Marktredwitz, unter den Oberfranken auch Rawetz genannt, lokalisiert. Hier nahm uns die Akademie Steinwald Fichtelgebirge e. V. der Scherdel GmbH in ihren Räumlichkeiten in Empfang. Nachdem uns Martina Freifrau von Waldenfels als Erbin des Unternehmens einen kurzen Überblick über die Wichtigkeit des Federherstellers in der Region als Arbeitgeber und Wirtschaftsstandort verschaffte, gaben uns die Organisatoren des Seminars Jessica Eckenberger und Philipp Charaoui die Möglichkeit, einander über eine kurze Vorstellungsrunde besser kennenzulernen. Besonders eindrücklich stellte sich die Nähe nahezu jedes Teilnehmers zum ländlichen Raum dar, so auch unserer Organisatoren, die zur Einführung in die Thematik des Seminars leidenschaftlich und innovativ über ihre Heimatregion Fichtelgebirge sprachen. Um auch die kulinarischen Vorzüge der Region zu verinnerlichen, ließen wir diesen ersten Tag in der „1“, einer urigen Gastwirtschaft, die ihre Bezeichnung unter Einheimischen aufgrund der Lage als erstes Haus der Straße erhielt, bei Brezn, Obazda und Bier – wie sollte es anders sein – ausklingen.

Die erste Nacht im Waldheim in Weißenstadt bestach vor allem durch eines: RUHE.


Erholt und vitalisiert führte uns der erste Tagesordnungspunkt am Samstag ins Stadtinnere auf die Peunt. Dass Kunst und die Herstellung von Roggenprodukten herrlich synergieren, bewies uns dort Frau Dr. Laura Krainz-Leupoldt als Geschäftsführerin der PEMA KG mit ihren futuristisch anmutenden Konzepten wie dem Kleinen Museum, welches das alte Postamt im Bauhaus-Stil in neuer Manier wiederbelebt. Inspirierende Eindrücke eröffnete nicht nur das Charisma der gebürtigen Italienerin, sondern auch ihre Auswahl an Kunstobjekten, die allen voran durch ihre Einfachheit beeindruckten. Kunst wird hier im Kleinen Museum auf der Peunt als bereichernder Bestandteil der persönlichen Erfahrung verstanden, der jedem zugänglich gemacht werden soll. Im reduzierten Ambiente des Concept Stores der PEMA KG begaben wir uns anschließend mit Herrn Adrian Roßner, der über die Grenzen des Fichtelgebirges hinaus als Experte für fränkische Landesgeschichte bekannt und beliebt ist, auf eine Zeitreise zu den Anfängen der hiesigen Besiedlung.

Es verwundert kaum, dass Herrn Roßners Schilderungen über die Entstehung der Dorfstruktur im Fichtelgebirge, über seine Brauchtümer und Aberglauben uns in ihrer anschaulichen und erfrischenden Vortragsart in den Bann zogen und somit auf diesem Weg das Verständnis für die Region im historischen Kontext erweiterten. Nach einem Mittagessen „Rund-ums-Korn“ beleuchteten zwei spannende Vorträge gesellschaftliche Herausforderungen, die es nicht nur von den Dörfern zu bewältigen gilt. Ohne Zweifel strapaziert es unsereins, sollte die „Jetzt-aber-wirklich-letzte-Game-of-Thrones-Folge“ gerade im spannendsten Moment einfrieren, weil das Internet wieder einmal zu langsam ist; welche Konsequenzen der vielerorts aber noch immer nicht erfolgte flächendeckende Glasfaserausbau für die ländliche Region bedeutet, zeigte uns Herr Dr. Alexander Haßdenteufel von der Thüga SmartService GmbH auf.

Die Region um das Fichtelgebirge wird gern als Sibirien Deutschlands bezeichnet, dass diese Redensart jedoch weit gefehlt ist, verdeutlichte Herr Dr. habil. Johannes Lüers der Universität Bayreuth am Lehrstuhl für Mikrometeorologie. Mit seinem Forschungsprojekt zur Minderung städtischer Klima- und Ozonrisiken analysierte Herr Dr. Lüers das Klima in Bayreuth mit zwölf Messstationen im Stadtgebiet verteilt. Die resultierenden Erkenntnisse können insbesondere unter Anbetracht der gesundheitsschädlichen Hitzewirkung nachhaltig dazu beitragen, die Stadtplanung so zu gestalten, dass kältespendende Grünflächen und Flussläufe gerade dort für Abhilfe sorgen, wo urbane Wärmeinseln entstehen.

Einen der Höhepunkte des Tages bildete die Podiumsdiskussion am Abend. In der Debatte um die jetzige Situation und geplante oder erwünschte Veränderungen in der Region konnten wir uns durch Schilderungen kommunaler Politiker einen Eindruck über die Herausforderungen und Möglichkeiten im Fichtelgebirge verschaffen und eigene Erfahrungen und Wünsche einbringen.

Ein aufschlussreicher Tag neigte sich dem Ende zu, aber gerade gen Abend drangen wir immer tiefer in die Geschichte Weißenstadts ein und so traf es sich, dass Kellermeisterin Olga uns während der spannenden Führung durch die hiesigen Keller in ihre Lehre nahm, um uns zu erden und wieder ins Gleichgewicht zu bringen; selbstverständlich unter Zuhilfenahme regionaler Spirituosen.

Der Morgen unseres letzten Seminartages begann mit einer Führung durch die Bäder des Siebenquell GesundZeitResorts in Weißenstadt, die aufgrund des fluoridhaltigen Schwefel-Thermalwassers eine heilende Wirkung auf den Anwender ausüben. In den neun Themen – und Erlebnissaunen wäre der eine oder andere sicherlich gern verblieben, dennoch fanden wir uns daraufhin erneut im Tagungsraum des Resorts ein, um uns dem abschließenden Vortrag zu widmen. Dieser generierte zweifellos in vielen Köpfen der Teilnehmer Ideen für die eigene Region, deren Vorzüge es hervorzubringen gilt, insbesondere wenn es sich um die Attraktivitätssteigerung für Unternehmer und junge Familien handelt. Die Alleinstellungsmerkmale und Besonderheiten der Fichtelgebirgsregion präsentiert das Team um Katharina Hupfer mit der Initiative: „#freiraumfürmacher“ erfolgreich auf der eigenen Website, in den sozialen Medien oder bei Veranstaltungen in den umliegenden Großstädten. Ist der Entschluss, ins Ländliche zu ziehen dann gefasst, unterstützen die Mitarbeiter der Initiative bei der Suche nach der geeigneten Immobilie, der nächstgelegenen Kita oder dem Arbeitsplatz für den Partner.

Das Wochenende hat uns gezeigt, dass ein Dorf weit mehr zu bieten hat als Erholungsmöglichkeiten in der Natur, skurrile Tante-Emma-Läden und Bauernhofgeruch. Es sind Kunst, erfolgreiche Unternehmen und Innovationsgedanken, die Lebensqualität auch bei weniger als 5.000 Einwohnern versprechen. An dieser Stelle sei ein großes Dankeschön an die Organisatoren und Referenten des Seminars ausgesprochen. Und wer weiß, womöglich verschlägt es den ein oder anderen Teilnehmer ja später in die wundervolle oberfränkische Region, zumindest aber in ein Dorf der Zukunft.

Informationen zur Autorin

Johanna Engel
Humanmedizin (4. Semester) an der Medizinische Universität Brandenburg
In der Grundförderung seit April 2019